Paddeltour auf der Biebrza
Kayak tour on the Biebrza
Nach unserer zweiwöchigen Tour auf den großen Masurischen Seen sind wir noch eine Woche (29.07.-04.08.04) von Lipsk aus auf Biebrza (Aussprache: Bjebscha), Kanal Augustowski und Netta mit dem Ziel Augustow paddeln gegangen. Wieder mit dem Aerius 2, wobei wir das Segel wegen der Enge des Flüßchens nicht mitgenommen haben.
Es waren 75km Paddelstrecke auf kurvigen, sehr langsam fließenden, teilweise stark verkrauteten Flüssen und dem Kanal. Am letzten Tag - nach durchzechter Nacht mit der Schleusenwärterfamilie von Augustow - sind wir dann noch ein paar Dutzend km auf den Seen nördlich von Augustow mit dem Hilfsaggregat für physische Notfälle rumgetuckert (auf dem Jezioro Neckko und Rospuda). Der Pegelstand der Biebrza an der Sluza Debowo war 24.5 - die Wassertiefe auf dem Stück, das wir gefahren sind, nie auch nur annähernd kritisch.
Die Biebrza schlängelt sich fast über ihren ganzen Lauf durch eine Art "Schilfwüste". D.h. im Boot sitzend sieht man links und rechts auf eine Schilfwand - nach vorn eigentlich auch, weil die nächste scharfe Kurve keine 10m entfernt ist. Steht man auf, blickt man hundert(e) von Metern über eine Schilffläche, weit hinten vom Waldrand begrenzt. Es ist natürlich ein Paradies für seltene Vögel, die jedoch derart viel Platz haben, dass man sie kaum sieht. Damit das alles so bleibt, hat man einen Nationalpark um den Fluss gelegt, d.h., wenn man beim Einsetzen einem Parkwächter auffällt, muss man eine moderate Nutzungsgebühr zahlen. Die Übernachtungsmöglichkeiten sind begrenzt, erstens physisch (man kommt nur selten durch die riesigen Schilfflächen zum Festland durch) und zweitens juristisch (man darf im Nationalpark nur auf die ausgewiesenen Biwakplätze). D.h., wir waren tagsüber praktisch völlig allein auf dem Fluss, haben abens aber oft die andere beiden Gruppen (coole, angelnde Wiener und etwas aufgeregte Studenten) getroffen, die auch auf der Biebrza unterwegs waren.
Am ersten Tag (Lipsk - Nowa Kamienna) hat uns die Schilfwüste beeindruckt, am zweiten Tag (- Sztabin) wurde es uns öde, am dritten Tag (- Debowo) haben wir versucht, die Eintönigkeit meditativ umzudeuten - mit allerdings geringem Erfolg, sodass wir uns entschlossen, auf dem Kanal Augustowski weiterzufahren anstatt dem Mündungsdelta der Biebrza in den Narew zuzustreben, wo die Schilfwüste dann noch wesentlich breiter wird .... Der Kanal mit seinen Schleusen gehört zum Weltkulturerbe, wurde einst von den Polen angelegt, um Zollzahlungen an die Preussen zu vermeiden, nutzt teilweise das Bett des Flusses Netta oder verläuft parallel. Er führt durch ein dünn besiedeltes Gebiet, in dem sich Wädchen, Felder und naturbelassene Flächen abwechseln - eine Vielfalt, die sich in einer sichtbaren Artenvielfalt der Tierwelt wiederspiegelt. Ausserdem kann man von Zeit zu Zeit mal ein paar hundert Meter geradeauspaddeln und muss nicht ständig um enge Kurven rangieren. Motorbootverkehr gibt es praktisch gar nicht (auf den Kanalteilen kann man wohl selten ein Ausflugsschiff antreffen) und wir waren mit der Korrektur unserer Streckenwahl extrem zufrieden. Einkaufen und den Biervorrat auffüllen konnte man bequem in Lipsk, Sztabin, einem Lädchen an der Sluza Debowo und natürlich Augustow.
Auf Biebrza und Netta sind Flutender Hahnenfuß, See-, Teichrosen und ähnliches Kraut allgegenwärtig, was sich mitunter zur Konsistenz von japanischer Nudelsuppe verdichtet (obwohl es ja von den Zutaten her eher eine Algen-Suppe ist) und das Paddeln extrem müh- und langsam macht. Das wurde auf der Netta einmal so extrem, dass wir auf den Kanal Augustowski ausweichen mussten (via Stichkanal) - was aber nicht schlimm war, da auch der landschaftlich sehr reizvoll ist - wirklich zu Recht ins Weltkulturerbe aufgenommen.
Das ganze endet in Augustow, einer nicht besonders schönen, größeren Stadt, wo man aber sehr nett mitten im Zentrum auf dem gepflegten Gelände der historischen Schleuse sein Zelt aufbauen kann und im Falle von Russisch- oder Polnischkenntnissen schnell von der Schleusenwärterfamilie adoptiert wird ...
Die Seen nördlich von Augustow liegen eigentlich landschaftlich ganz schön, sind aber von extrem unkuliviertem Wassersport dominiert: während man auf den großen Masurischen Seen praktisch nur Segelboote antrifft, wird hier fast ausschließlich mit monströsen Motorbooten rumgeknattert.
Von Augustow kommt man gut mit dem Bus nach Lipsk zurück. Die Rückreise nach Potsdam/Babelsberg mit dem Auto ist etwa 850 km lang, was wir dann lieber in zwei Etappen gemacht haben, da es auf der polnischen Seite wieder nur über Landstraßen geht.
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